Sonntag, 7. Dezember 2008

Vom Suchen und Ablehnen menschlicher Naehe

Dunkelheit und Kaelte - diese zwei Herrschaften haben es mir besonders angetan. Winter gerade, 4:00 Uhr morgens - ein perfektes Zusammenspiel also.

Ich fand Leute schon immer interessant, die die Nacht dem Tag gegenueber bevorzugen. Die Schlaflosen. Die, die nachts keine Ruhe finden, weil es einfach gegen ihre Natur ist. Ich meine nicht die Leute, die ganze Naechte lang wach bleiben, um mittels Computerspielen in eine andere Welt zu fluechten, ich meine die Leute, die in der Nacht bereits ihre perfekte Welt gefunden haben. Von denen, die auf der Fensterbank sitzen und den Blick auf die leere Straße genießen. Von denen, die nachts spazieren gehen, weil die Ruhe ihnen beim Nachdenken hilft, weil sie die Lichter der Straßen und das Leuchten des Mondes lieben, weil diese ihnen ein geborgenes Gefuehl geben.

Ich bin einer dieser Menschen.

Ich liebe es, nachts rauszugehen, anstatt der „Verdauungsrunde“ nach dem Mittagessen. Ich liebe es, mich zu fragen, wer hinter dem letzten Fenster des Wohnblockes sitzt, hinter dem noch Licht brennt. Mich zu fragen, ob es eine Person ist, der es gleich geht wie mir, oder doch nur ein Elternteil, der gerade ein Bett neu beziehen muss.

Durch die Vorgaben unserer Gesellschaft, dass man nachts zu schlafen habe, und tagsueber zu arbeiten, in die Schule zu gehen oder Freizeitaktivitaeten auszuueben hat, durch die gefestigte Meinung meiner Mitmenschen, dass es nicht normal sei, nachts einfach nicht schlafen zu koennen, verbrachte ich nicht wenig Zeit damit, durch Untersuchungen meiner „Abnormalität“ auf den Grund zu gehen. Von Allergietests ueber psychiatrische Analysen bis hin zu einer Naechtigung, ganzkoerperverkabelt, in einem Schlaflabor – so ziemlich alles war dabei, nur Antworten blieben aus.


Ich bleibe dabei: Wenns dunkel ist, ist einfach alles besser. (Innerlicher Konflikt: besser oder gut? Wuerde gut bevorzugen, schreibe aber besser. Laesst mich nicht so pessimistisch wirken.)

Dazu die Kaelte. Komme gerade von draußen. Man hat sich einen guten Film angeschaut, den man lange nicht gesehen hat, war dann im Internet auf den wichtigsten Seiten unterwegs, um zu schauen obs was Neues gibt, danach hat man sich mit einem Buch ans Fensterbrett gesetzt.

Irgendwann kommt dann die Zeit, die man mit seiner Hassliebe verbringen muss/will: seinen Gedanken. Man verlaesst das Haus um nochmal eine Runde um den Block zu drehen (besonders schoen wenns gerade schneit, wie eben). Man macht auf halbem Weg einen Stop, lehnt sich gegen eine Hauswand und zuendet sich eine Zigarette an. Diese ist, unterstuezt von wirren Gedankengaengen, in gefuehlten 2 Minuten auch schon wieder Vergangenheit. Waehrenddessen verweilte man nur in einer Position, ohne Jacke versteht sich, denn wenn man sich dann wieder bewegt, beruehren einen die kalten Teile seines Hemdes/T-Shirts, so dass es einem an den Stellen der Beruehrung ein leichtes Kribbeln verpasst - so wie wenn man in heißen Sommernaechten nicht schlafen kann und alle 10 Minuten die Bettdecke umdreht um eine erleichternde Abkuehlung zu bekommen.

Zur Dunkelheit kann ich nicht wirklich was sagen, nur, dass ich nicht wirklich eine hell leuchtend/strahlende Person bin. Die Kaelte allerdings nehme ich immer mehr an, persoenlich. Dank meinen Mitmenschen. Die menschliche Naehe, ein ganz eigenes Kapitel, ueber dass ich mir, aufgrund mehrerer Gespraeche in letzter Zeit, kuerzlich viele Gedanken gemacht habe.

A: "Hey. Wie gehts?"
B: "Nicht so gut."
A: "Was? Warum denn nicht? Was ist denn los?"

Ganz ehrlich? Ich will A toeten. B ist auch um nichts besser, schreit ja foermlich um Mitleid, oder um eine interessierte Person, an der er/sie sein/ihr - viel zu - stark ausgepraegtes Mitteilungsbeduerfnis befriedigen kann. Kein Wunder, dass, wenn man sich in der Situation des B befindet, immer mit "gut" oder "geht schon" antwortet.

Naeher eingegangen auf die A-Leute:
Viel schlimmer noch die "Ich weiß, dass ist eine Standardfrage, aber mich interessierts WIRKLICH: Wie gehts dir denn so?"-Spezies. JA NATUERLICH INTERESSIERTS DICH. Gibt da draußen ja leider viel zu viel Leute, die es einfach brauchen, sich abends im Bett auf die Realitaet eines anderen einen runterholen zu muessen. Nur zu, aber nicht mit meinen Gedanken im Kopf, nicht mit MEINER Realitaet.

Weiter zu den B-Leuten:
Ihr muesst mir also wirklich erzaehlen, was in eurem Leben gerade so scheiße/schief laeuft? Und wie kommt ihr drauf, dass mich das auch nur den geringsten Dreck interessiert? Weil ich nie was dagegen sage wenn ihr davon redet, wo ich doch sonst alles gerade aus mir heraus und dem Gegenueber direkt ins Gesicht sage? Weils einfach nichts bringt, fangt ja trotzdem das naechste Mal wieder mit dem Scheiss an - da sag ich lieber "Na schieß los, was gibts denn?", und schalte dann in meinem Kopf auf einen anderen Kanal, damit ich den Scheiss nicht hoeren muss. Und auch nur, weil, so kommt mir vor, man es [das Zuhoeren] von mir erwartet - und eben besonders von mir. Und jedes dieser Gespraeche bringt mir die Kaelte naeher, macht mich charakterlich kaelter - ja fast schon zum Soziopathen - ich empfinde der Person gegenueber, die mir davon erzaehlt, kein Mitleid, noch sonst irgendetwas. Garnichts (mehr).

Ist denn die Definition von menschlicher Naehe, oder, nennen wir es von mir aus Freundschaft, wirklich, dass man sich alles erzaehlen kann/soll/MUSS? Dass ich mein Herz vor dieser Person ausschuetten muss (und wie manche das definieren anscheinend 'so oft wie moeglich'")? Warum schaetzt man es nicht, einfach gemeinsam eine gute/schlechte Zeit zu verbringen, auf einem Konzert (David), an gemeinsamen, lustigen Saufabenden (meine Jungs), depressiven Saufabenden (Maria, Alfons) oder beim teilen von Erinnerungen (Anna und wieder die Jungs), wo jeder weiß, was man damit verbindet - was EINEN damit verbindet - und nicht darueber reden muss.


Zuviel fuer heute.
Prost und Gute Nacht.